28. Oktober 2025

    Digitalis und Herzinsuffizienz

    zur Studie DIGIT-HF

    Traditionelle Anwendungsgebiete & Evidenzlage

    1. DIG-Studie (DIG-Studie, 1997) – Herzinsuffizienz (HFrEF, Sinusrhythmus)

    • Diese randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie (n ≈ 6.800) untersuchte Digoxin bei Patienten mit linksventrikulärer Ejektionsfraktion ≤ 45 % und Sinusrhythmus.
    • Ergebnis: Keine Verbesserung der Sterblichkeit, aber signifikante Reduktion der Hospitalisierungsrate (26,8 % vs. 34,7 % hospitalisiert) (Der Arzneimittelbrief, DocCheck).
    • Besonders ersichtlich: Patienten in NYHA-Klasse III/IV, sehr niedrigem LVEF (<25 %) und auffällig vergrößertem Herzen schienen besonders zu profitieren – in einigen Fällen sogar mit leicht reduzierter 2-Jahres-Letalität (Der Arzneimittelbrief).

    2. Metaanalysen & Beobachtungsstudien – Mortalität

    • Eine Metaanalyse deutscher Kardiologinnen und Kardiologen (19 Studien, > 326.000 Patienten, 1993–2014) zeigte:
    • Leitlinienfokus: Digoxin verbessert Symptomatik, Lebensqualität, Belastungstoleranz und senkt Hospitalisierungen, aber nicht die Überlebensrate; Daten zur Lebensverlängerung fehlen (Leitlinien).
    • Eine Meta-Analyse von britischen Forschern (75 Studien, ~1 Mio. Patienten) fand eine neutrale Wirkung auf die Mortalität. In Beobachtungsstudien trat allerdings ein erhöhtes Risiko auf, möglicherweise durch Indikationsverzerrung (Digoxin bei schwereren Fällen eingesetzt) (DocCheck).
    • Serum-Spiegel-Analysen (Post-hoc der DIG-Studie):
      • Niedrige Digoxin-Spiegel (0,5–0,7 ng/ml): geringstes Mortalitätsrisiko
      • Hohe Spiegel (1,6–2,0 ng/ml): erhöhtes Risiko (DocCheck).

    3. Vorhofflimmern – Risikoanalyse

    • TREAT-AF-Studie (USA): Retrospektive Kohortenstudie mit ~122.000 AF-Patienten; Digoxin war signifikant mit erhöhter Mortalität assoziiert (HR = 1,21–1,26), unabhängig von Alter, Komorbiditäten oder Baseline-Therapie (DAZ.online).
    • In anderen retrospektiven Studien lautet das Gesamtbild ähnlich: erhöhte Mortalität, aber potenziell durch Indikationsverschiebung erklärbar (DAZ.online, AerzteZeitung.de).
    • In der Pharmaceutischen Zeitung (2015): Metaanalyse bestätigt erhöhtes Sterberisiko bei Digoxin, besonders bei Vorhofflimmern (+29 %) (Pharmazeutische Zeitung).
    • Fazit der Detaillierten Übersichten: Bei AF ist Digoxin nur Reserveoption; sicherere Alternativen wie Beta-Blocker bevorzugt (Wikipedia, AerzteZeitung.de).

    Leitlinien und Empfehlungslage (Deutschland)

    • Die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) – Herzinsuffizienz (Version 4) empfiehlt Digoxin (bzw. Digitoxin) nur noch als Zusatzmedikation (Reservemedikament) bei HFrEF, wenn trotz optimaler Therapie Symptome bestehen (Leitlinien).
    • Die geringe therapeutische Breite, das Risiko von Nebenwirkungen und Überdosierungen werden explizit hervorgehoben. Eine sorgfältige Dosierung (Zielspiegel 0,5–0,8 ng/ml) und regelmäßige Kontrolle sind erforderlich (Leitlinien).

    Neue und potenzielle Anwendungsbereiche (Repurposing)

    • Nicht-kardiologische Indikationen (Review, 2023): Digoxin wird aktuell in der Forschung auch für:
      • Nichtalkoholische und alkoholassoziierte Steatohepatitis
      • Autoimmun- und Entzündungskrankheiten
      • Stoffwechselstörungen, Fettleibigkeit
      • Krebserkrankungen
      • Virale Infektionen
        – untersucht. Die bisherigen Erkenntnisse stammen überwiegend aus präklinischen Studien (PMC).

    Neuer Fokus: DIGIT-HF-Studie (Digitoxin)

    • Digitoxin wird zunehmend bevorzugt gegenüber Digoxin bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, da es über Leber und Darm ausgeschieden wird (IDW Online).
    • Die DIGIT-HF-Studie ist eine multizentrische, internationale, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie, initiiert von der Medizinischen Hochschule Hannover, mit Beteiligung aus Deutschland, Österreich und Serbien. Erste Ergebnisse wurden bereits 2025 veröffentlicht.
    • Ergebnis (MHH-Pressemitteilung, August 2025): Bei HFrEF-Patienten zeigte Digitoxin, korrekt dosiert (≈ 0,07 mg/Tag), signifikant reduzierte Sterblichkeit und Hospitalisierungsraten – und bei guter Sicherheit (IDW Online).
    • Frühere Publikationen zur Studienplanung (2019): Ziel der Studie ist es, bei moderner Standardtherapie (Beta-Blocker, ACE-Hemmer etc.) Nutzen und Sicherheit von Digitoxin gesichert zu evaluieren (Wiley Online Library).

    Zusammenfassung – Studienlage auf einen Blick

    AnwendungsbereichWichtige Studien / Erkenntnisse
    HFrEF (Sinusrhythmus)DIG-Studie: ↓ Hospitalisierungen, keine Mortalitätsänderung
    HFrEF (allgemein)Metaanalysen/RCTs: Verbesserung der Lebensqualität, aber keine Überlebensvorteile; Risiko je nach beobachteten Spiegeln variabel
    VorhofflimmernTREAT-AF u. Co.: erhöhtes Mortalitätsrisiko → Use only as reserve
    LeitlinienempfehlungDigoxin/Digitoxin: Reserve (NVL); Digitoxin bei Niereninsuffizienz ggf. besser
    Neue Indikationen (Repurposing)Steatohepatitis, Stoffwechsel, Autoimmun, Tumore, Viren (präklinisch)
    DIGIT-HF (Digitoxin)Neu: signifikante Vorteile bei HFrEF, sicher bei moderater Dosierung (2025)