28. Oktober 2025

    Bluthochdruck und Hypotonie

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    Die Hypotonie

    Eine Blutdruckerniedrigung unter 100 mg Hg (systolischer Wert) wird als Hypotonie bezeichnet. Sie hat oft keine Krankheits-Bedeutung und wird erst dann problematisch, wenn sie Symptome auslöst.


    1. Definition

    • Hypotonie = abnorm niedriger arterieller Blutdruck
    • Grenzwerte:
      • Frauen: systolisch < 100 mmHg
      • Männer: systolisch < 110 mmHg
      • Diastolisch meist < 60 mmHg
    • Wichtig: niedriger Blutdruck ist nicht automatisch pathologisch, aber symptomatisch relevant, wenn Beschwerden oder Durchblutungsstörungen auftreten.

    2. Physiologische Grundlagen des Blutdrucks

    • Blutdruck = Herzzeitvolumen × peripherer Widerstand
    • Regulation über:
      • Barorezeptorenreflex (Druckrezeptoren im Karotissinus und Aortenbogen)
      • Sympathikus / Parasympathikus
      • Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS)
      • Flüssigkeitsvolumen und Gefäßtonus

    → Eine Störung in einem dieser Systeme kann Hypotonie verursachen.


    3. Klassifikation

    FormBeschreibungBeispiele
    Primäre (essenzielle) HypotonieKonstitutionell, ohne erkennbare UrsacheHäufig bei jungen, schlanken Frauen
    Sekundäre HypotonieFolge einer Grunderkrankung oder MedikationHerzinsuffizienz, endokrine Störungen, Blutverlust, Medikamente
    Orthostatische HypotonieBlutdruckabfall beim LagewechselNach längerem Liegen, Flüssigkeitsmangel, vegetative Dysregulation
    Neuronal vermittelte (vasovagale) HypotonieReflektorische KreislaufreaktionSchmerz, Angst, emotionaler Stress

    4. Pathophysiologie

    • Primäre Hypotonie:
      Verminderte sympathische Aktivität oder Gefäßtonus → peripherer Widerstand ↓
    • Orthostatische Dysregulation:
      Unzureichende sympathikotone Gegenregulation beim Aufstehen → Blut versackt in den Beinen
    • Sekundäre Hypotonie:
      • Herzminutenvolumen ↓ (Herzinsuffizienz, Rhythmusstörung)
      • Gefäßtonus ↓ (Medikamente, vegetative Störungen)
      • Blutvolumen ↓ (Dehydratation, Blutverlust)

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    5. Symptomatik

    OrgansystemSymptome
    ZentralnervösSchwindel, Benommenheit, Konzentrationsstörungen, Synkope
    KardiovaskulärHerzklopfen, Tachykardie (kompensatorisch), kalte Extremitäten
    AllgemeinMüdigkeit, Blässe, Schwäche, Ohrensausen
    GastrointestinalÜbelkeit, Appetitlosigkeit
    PsychischReizbarkeit, depressive Verstimmung

    Besonders typisch:

    Schwindel oder Schwarzwerden vor Augen beim schnellen Aufstehen.


    6. Diagnostik

    1. Anamnese:
      • Art, Häufigkeit und Auslöser der Symptome
      • Medikamentenanamnese
      • Begleiterkrankungen (Herz, Hormone, Blutverluste)
    2. Klinische Untersuchung:
      • Blutdruck in Ruhe und nach Lagewechsel
      • Puls, Hautfarbe, Temperatur
    3. Apparative Diagnostik:
      • Schellong-Test / Kipptischuntersuchung
      • EKG / Echokardiographie
      • Labor: Hb, Elektrolyte, TSH, Cortisol

    7. Klinische Bedeutung

    • Primäre Hypotonie:
      Meist harmlos, kann aber Lebensqualität stark beeinträchtigen.
      Gilt als protektiv gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
    • Sekundäre Hypotonie:
      Kann Symptom einer ernsten Grunderkrankung sein (z. B. Schock, Herzversagen, endokrine Insuffizienz).
    • Orthostatische Hypotonie im Alter:
      Erhöhtes Sturz- und Verletzungsrisiko, relevante Ursache für Synkopen.

    8. Therapie

    Nichtmedikamentös (Basismaßnahmen):

    • Ausreichend Flüssigkeit (2–2,5 l/Tag)
    • Salzreichere Kost (nach Rücksprache mit Arzt)
    • Körperliches Training, Kreislaufgymnastik
    • Wechselduschen, Abhärtung
    • Kompressionsstrümpfe
    • Langsames Aufstehen, Beine kreuzen bei Schwindel

    Medikamentös (nur bei schwerer Symptomatik):

    • Fludrocortison (Volumenaufbau durch Natriumretention)
    • Midodrin (peripherer α1-Agonist, Gefäßkonstriktion)
    • Etilefrin (Sympathomimetikum)

    → Nur unter ärztlicher Kontrolle, da Risiko für Hypertonie besteht.


    9. Prognose

    • Primäre Hypotonie: gutartig, keine erhöhte Mortalität
    • Sekundäre Hypotonie: abhängig von der Grunderkrankung
    • Orthostatische Dysregulation: gute Prognose bei adäquater Therapie

    10. Prävention

    • Regelmäßige Bewegung und Kreislauftraining
    • Genügend Flüssigkeitszufuhr
    • Vermeidung von Alkohol und Überhitzung
    • Anpassung der Medikation bei Risikopatienten (z. B. Diuretika)

    11. Zusammenfassung

    PunktKernaussage
    HypotonieBlutdruck unter 100/60 mmHg
    BedeutungHäufig harmlos (primär), kann aber symptomatisch und Ursache ernster Grunderkrankungen sein (sekundär)
    Typische SymptomeSchwindel, Schwäche, Müdigkeit, Synkope
    DiagnostikBlutdruckmessung, Lagewechseltest (Schellongtest), Ursachenabklärung
    TherapieFlüssigkeit, Salz, Bewegung, ggf. Medikamente
    PrognoseGünstig bei primärer Form, ernst bei sekundären Ursachen

    12. Literaturhinweise

    • Deutsche Hochdruckliga e. V. – Leitlinien zur Blutdruckregulation (aktuelle Ausgabe)
    • Herold, Innere Medizin, 2024
    • Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) zur orthostatischen Hypotonie
    • Pschyrembel Klinisches Wörterbuch, 268. Auflage

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    erstellt mit KI