28. Oktober 2025

    Vom Wert der Auskultation

    Vorauszuschicken wäre: Der Autor dieser Zeilen war als Hochschullehrer ein ausnahmsloser Verfechter der kardialen und pulmonalen Auskultationstechniken und darüber hinaus Anhänger der klinischen Ganzkörper-Untersuchung mit Palpation (Abtasten), Perkussion (Abklopfen) und eben auch Auskultation (Abhören) aller dafür wichtigen Körperbereiche.
    Laénnec und sein Hörrohr sind nach wie vor Maßstäbe dieser Techniken, die in einer apparativ bestimmten und zeitkritischen, beschleunigten Medizin fast vollständig verloren gegangen sind. Das Stethoskop – einst Arztsymbol (vielleicht auch Statussymbol) – ist zum überflüssigen, aber doch modisch wirkenden Anhängsel degeneriert.

    Kürzlich wurde nun die Tromsö-Heart Study veröffentlicht (Davidsen AH, Andersen S, Halvorsen PA, et al; Heart murmurs in the general population: diagnostic value and prevalence from the Tromsø Study;Heart Published Online First: 01 August 2025. doi: doi.org/10.1136/heartjnl-2024-325499), in der zum Wert einer Herzauskultation bei Verdacht auf Klappenerkankung Stellung genommen wurde.

    In dieser werden, allerdings elektronisch unterstützt, systolische und diastolische Herz-Geräusche hinsichtlich ihrer Aussagekraft, ob Klappenfehler vorliegen oder nicht, untersucht. Die Kernaussagen sind

    Ein Herzgeräusch ist nach dieser Studie relevant, wenn folgende Vorraussetzungen vorliegen:

    • männliches Geschlecht (Odds Ratio, OR 3,3),
    • Alter ≥ 70 Jahre (OR 2,0) und
    • ein überstandener Herzinfarkt (OR 2,3).

    Darüber hinaus fanden die Autoren

    „Eine definitionsgemäß relevante Klappenerkrankung wiesen insgesamt 19 Prozent aller Teilnehmenden auf, also knapp einer von fünf Personen (rund 22 Prozent der Männer, aber weniger als 17 Prozent der Frauen). Davon hatten jedoch nur knapp 36 Prozent ein hörbares Herzgeräusch. Der positive prädiktive Wert (PPV) eines solchen lag bei insgesamt 28,5.
    Die Sensitivität für die AKI (Aortenklappeninsuffizienz) lag bei 43 Prozent, für die MKI (Mitralklappeninsuffizienz) bei 29 Prozent. Von den 45 Aortenstenosen waren allerdings alle im Stethoskop hörbar (Sensitivität 100 Prozent). Bei den Personen mit diastolischem Herzgeräusch wiederum handelte es sich in allen Fällen um eine AKI.
    Im Gegensatz zur Sensitivität war die Spezifität der Auskultation hoch, wenn es sich um ein deutliches systolisches Geräusch handelte (≥ 94 Prozent). Beim Vorhandensein eines diastolischen Geräuschs stieg sie sogar auf über 99 Prozent.“

    Das bedeutet, dass die Herzauskultation (auch ohne elektronische Hilfe) wichtig und unverzichtbar ist. Daher sind die „Klopfkurse“, die früher ja auch im wesentlichen Auskultationskurse waren, von hohem Ausbildungswert. Sie werden nur immer weniger besucht und es wird nur unregelmäßig daran teilgenommen. Das ist ein Zugeständnis an die technische Medizin und eben auch Zeichen einer Entfernung oder gar Entfremdung vom Patienten, der sich ja als krankes Wesen vor dem Arzt präsentiert und auch so wahrgenommen werden möchte.

    Es wäre nun wichtig, auch im Hinblick auf die praktische Ergebnis-Qualität, zu ermitteln, wie die jungen Ärzte ihre Auskultation vornehmen, wie die Erfolgsrate ist und wie sie die Ergebnisse in die Praxis umsetzen.
    Hierzu wäre aber eine neue RCT-Studie notwendig.