In dieser Übersicht und auch im Deutschen Ärzteblatt v. 28.8.2025 wird erstmals zusammengefasst, wie sehr Umwelt- und klimatische Einflüsse das Herz-Kreislaufrisiko negativ beeinflussen. Diese Faktoren tragen erstaunlich viel, nämlich bis zu 18% zur Sterblichkeit und Morbidität der Herzkreislaufkrankheiten in Europa bei. Luftverschmutzung (air pollution) ist demnach nach hohem Blutdruck der zweitgrößte KHK-Risikofaktor mit 8,2 Mio. Todesfällen in 2021 weltweit.
Zusammenfassung:
Diese umfassende Übersicht über Umweltrisikofaktoren unterstreicht die Tatsache, dass Umweltrisikofaktoren zwar wichtige, aber unzureichend beachtete Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind. Die hier vorgestellten Ergebnisse machen deutlich, dass ausgewählte Umwelteinflüsse in die Liste der klinischen und verhaltensbezogenen Risikofaktoren aufgenommen werden müssen, die Ärzte routinemäßig bei der Bewertung des Herz-Kreislauf-Risikos ihrer Patienten berücksichtigen. Die Erkenntnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit gezielter Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und politischer Maßnahmen. Individuelle Maßnahmen und Verhaltensänderungen reichen nicht aus, um diesen Risiken zu begegnen. Diese Faktoren tragen zu einer erheblichen globalen Krankheitslast bei und erfordern sofortige und koordinierte Maßnahmen auf gesellschaftlicher Ebene über Disziplinen und Politikbereiche hinweg.
Eine wichtige Schlussfolgerung aus dieser Übersicht ist die Notwendigkeit strenger regulatorischer Maßnahmen, um die Exposition gegenüber diesen Umweltgefahren zu verringern. Es sollten strengere Luftqualitätsstandards eingeführt werden, um PM2,5 und Stickoxide zu begrenzen, indem Roadmaps zur Umsetzung der WHO-Richtlinien formuliert werden.
Kampagnen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sollten das Bewusstsein für die kardiovaskulären Risiken von Umweltstressoren schärfen und für Änderungen des Lebensstils wie körperliche Aktivität, verbesserte Ernährung und Stressbewältigung werben, um die Auswirkungen der Exposition zu mildern. Darüber hinaus sollte die interdisziplinäre Forschung ausgeweitet werden, um bestehende Wissenslücken zu schließen, insbesondere hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen kombinierter Expositionen und individueller Anfälligkeit. Um die kardiovaskuläre Belastung durch Umweltrisikofaktoren zu verringern, müssen Regierungen proaktive und durchsetzbare Maßnahmen ergreifen, die der öffentlichen Gesundheit, der ökologischen Nachhaltigkeit und dem gerechten Zugang zu Schutzmaßnahmen Vorrang einräumen. Die Einbeziehung von Umweltfaktoren in Strategien zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist unerlässlich, um die Morbidität und Mortalität weltweit zu senken.
Abstract
Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) sind weltweit die häufigste Todesursache mit über 20 Millionen Todesfällen pro Jahr. Während traditionelle Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Rauchen und schlechte Ernährung allgemein bekannt sind, unterstreichen neue Erkenntnisse den tiefgreifenden Einfluss von Umwelteinflüssen auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit. Luftverschmutzung, insbesondere Feinstaub (PM2,5), trägt jährlich zu etwa 8,3 Millionen Todesfällen bei, von denen mehr als die Hälfte auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen sind. In ähnlicher Weise erhöhen Lärmbelästigung, extreme Hitze, giftige Chemikalien und Lichtverschmutzung das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen durch Mechanismen, die mit oxidativem Stress, Entzündungen und Störungen des Tagesrhythmus einhergehen. Aktuelle translationale und epidemiologische Studien zeigen, dass eine chronische Belastung durch Verkehrslärm das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzinsuffizienz erhöht.
Luftverschmutzung fördert selbst unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte Arteriosklerose, Gefäßfunktionsstörungen und Herzereignisse. Neue Gefahren wie Mikro- und Nanokunststoffe tragen zunehmend zu Gefäßschäden und systemischen Entzündungen bei. Der Klimawandel verschärft diese Risiken, wobei Hitzewellen und Waldbrände die Belastung für das Herz-Kreislauf-System, insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, zusätzlich erhöhen. Die kumulativen Auswirkungen dieser Belastungen, die oft mit verhaltensbezogenen und sozioökonomischen Risikofaktoren zusammenwirken, werden in den aktuellen Präventionsstrategien nur unzureichend berücksichtigt. Das Exposom-Konzept bietet einen umfassenden Ansatz zur Integration lebenslanger Umweltexpositionen in die kardiovaskuläre Risikobewertung und Prävention. Zur Eindämmung sind systemische Maßnahmen erforderlich, darunter strengere Umweltstandards, Lärmschutzvorschriften, nachhaltige Stadtplanung und grüne Infrastruktur. Die Berücksichtigung umweltbedingter Determinanten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist für die Verringerung der globalen Krankheitslast von entscheidender Bedeutung. Diese Übersicht fordert dringende politische Maßnahmen und die Integration der Umweltgesundheit in die klinische Praxis, um die kardiovaskuläre Gesundheit im Anthropozän zu schützen.
Lit.: Thomas Münzel, Mette Sørensen, Jos Lelieveld, Philip J Landrigan, Marin Kuntic, Mark Nieuwenhuijsen, Mark R Miller, Alexandra Schneider, Andreas Daiber, A comprehensive review/expert statement on environmental risk factors of cardiovascular disease, Cardiovascular Research, 2025;, cvaf119, https://doi.org/10.1093/cvr/cvaf119
