Überblick über die relevanten Leitlinien
Nachfolgend ein Überblick über die aktuellen Leitlinien zur chronischen Herzinsuffizienz, insbesondere auf Basis des Focused Update 2023 der ESC und der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) Version 4 für Deutschland. Ich strukturiere nach Diagnostik, Therapie (medikamentös & nicht-medikamentös), Spezifischem für EF-Klassen, Komorbiditäten und organisatorischen Aspekten.
- ESC (European Society of Cardiology) – Focused Update 2023 zu den ESC Guidelines von 2021 für akute und chronische Herzinsuffizienz. (Herzmedizin)
- Nationale VersorgungsLeitlinie Chronische Herzinsuffizienz (NVL), Version 4.0 – Deutschland. (leitlinien.de)
Wichtige Änderungen & Neuerungen
- SGLT2-Inhibitoren (wie Empagliflozin, Dapagliflozin) haben nun eine Klasse-IA-Empfehlung in der ESC-Leitlinie für sämtliche Formen der Herzinsuffizienz – d.h. nicht nur bei reduzierter Ejektionsfraktion, sondern auch bei HFmrEF (mid-range) und HFpEF (erhaltene EF). (Herzmedizin)
- Es wird anerkannt, dass eine initiale “Vierfachtherapie” bei HFrEF möglich ist: RAS-Inhibitor (oder ARNI), Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA) plus ein SGLT2-Inhibitor. Mehr Flexibilität bezüglich Startmoment und Kombinieren der Medikamente. (leitlinien.de)
- In Deutschland (NVL) wird neu Vericiguat erwähnt für Patienten mit symptomatischer HFrEF nach kürzlich aufgetretener Dekompensation, sofern stationär behandelt wurde. (leitlinien.de)
- ESC-Update hebt auch die Bedeutung der intravenösen Eisentherapie hervor (z. B. Eisen-Carboxymaltose, Eisen-Derisomaltose) bei HFrEF mit Eisenmangel zur Verbesserung von Symptomen und Reduktion von Krankenhausaufenthalten. (Herzmedizin)
Diagnostik / Klassifikation
- Ejektionsfraktion (EF) bleibt zentral: Unterteilung in HFrEF (< 40 %), HFmrEF (≈ 40-49 %), HFpEF (≥ 50 %). (Herzmedizin)
- Erfassung von Symptomstatus (z. B. mittels NYHA-Klasse), Belastbarkeit, Vorliegen von Ödemen, Flüssigkeitsretention. (leitlinien.de)
- Laboruntersuchungen inklusive BNP bzw. NT-proBNP, Nierenfunktion, Elektrolyte. (leitlinien.de)
- Bildgebende Verfahren, insbesondere Echokardiographie zur Bestimmung der Funktion, Struktur, Valvulärer Befunde. (Herzmedizin)
Medikamentöse Therapie
HFrEF (reduzierte Auswurffunktion)
Empfehlungen:
| Medikamentenklasse | Nutzen & Indikation |
|---|---|
| RAS-Inhibitoren (ACEi oder ARB) bzw. ARNI | Grundpfeiler; ARNI insbesondere, wenn Patienten unter ACEi/ARB + Betablocker + MRA symptomatisch sind. In manchen Fällen bereits initial. (leitlinien.de) |
| Betablocker | Standardtherapie bei HFrEF zur Senkung von Mortalität und Hospitalisation. (leitlinien.de) |
| Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) | Spironolacton oder Eplerenon, zur Verbesserung der Prognose. (leitlinien.de) |
| SGLT2-Inhibitoren | Neu: Klasse I für HFrEF; reduziert Tod und Hospitalisationen. Bereits auch bei Patienten ohne Diabetes wirksam. (Herzmedizin) |
| Diuretika | Vor allem zur Symptomlinderung und Kontrolle der Flüssigkeitsretention. Beibehaltung der Medikation, auch wenn sich EF oder Symptome verbessern. (leitlinien.de) |
| Ivabradin | Für Patienten mit HFrEF mit EF ≤ 35 %, Sinusrhythmus, Ruheherzfrequenz ≥ 75/min trotz Betablocker bzw. maximal tolerierter Dosis, als Zusatz. (leitlinien.de) |
| Vericiguat | Optional bei symptomatischer HFrEF nach einer Dekompensation (i.v.-Therapie) zur Vermeidung weiterer Hospitalisationen. (leitlinien.de) |
HFmrEF / HFpEF
- SGLT2-Inhibitoren sind jetzt auch Klasse-I Empfehlung sowohl für HFmrEF als auch für HFpEF, um das Risiko kardiovaskulären Todes und Hospitalisation zu senken. (Herzmedizin)
- Diuretika bei Vorliegen einer Flüssigkeitsretention. (Herzmedizin)
- Behandlung von Komorbiditäten (z. B. Hypertonie, Vorhofflimmern, Diabetes, Nierenfunktionsstörung) nach möglichst strenger Kontrolle. (Herzmedizin)
Umsetzung / Therapieprozess
- Schnelle Initiierung & Hoch-Titrierung der bewährten Medikamente („fast, sooner, stronger“) nach De-Kompensation: z. B. in der STRONG-HF Studie zeigte sich, dass frühes und intensives Hochdosieren Vorteile bringt. (Herzmedizin)
- Titrierung: schrittweises Aufdosieren alle 2-4 Wochen bis zur Ziel- oder maximal verträglichen Dosis. Vor allem bei HFrEF. (leitlinien.de)
- Monitoring von Blutdruck, Herzfrequenz, Elektrolyten, Nierenfunktion, Gewicht, Ödemen. Insbesondere bei Neueinstellung oder Umstellung der Medikation. (leitlinien.de)
- Selbstmanagement / Patientenedukation: Gewichtskontrolle, Erkennen von Verschlechterungszeichen, Therapieadhärenz. (AWMF)
Nicht-medikamentöse Aspekte & Komorbiditäten
- Eisentherapie: bei HFrEF mit Eisenmangel zur Verbesserung von Symptomen und Lebensqualität. (Herzmedizin)
- Impfungen: Influenza, Pneumokokken, COVID-19 etc. werden ausdrücklich empfohlen bei Patienten mit Herzinsuffizienz. (leitlinien.de)
- Behandlung von Komorbiditäten: Diabetes, Niereninsuffizienz, arterielle Hypertonie, Rhythmusstörungen. Besonderes Augenmerk auf Medikamente, die Herzinsuffizienz verschlechtern könnten. (leitlinien.de)
Organisatorische und Versorgungsspezifische Empfehlungen
- Sektorenübergreifende Versorgung: bessere Abstimmung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung, zwischen Hausärztinnen und Kardiologinnen. (AWMF)
- Versorgungskontrolle / regelmäßige Re-Evaluation der Therapie nach 6–12 Wochen (bei Änderung) auf Wirkung und Verträglichkeit. (leitlinien.de)
- Medikationsplan: Erstellung und Aktualisierung eines Medikationsplans, bei Wunsch auch elektronisch. (leitlinien.de)
Einschätzungen / offene Fragen
- Wie früh und mit welcher Kombination gestartet werden kann, hängt stark vom individuellen Patientenprofil ab (Begleiterkrankungen, Blutdruck, Nierenfunktion usw.).
- Die Evidenz bei HFpEF und HFmrEF hat sich verbessert, aber nicht alle Endpunkte (insbesondere Gesamtmortalität) sind in allen Studien signifikant verbessert.
- Verträglichkeit und Risikofaktoren (z. B. Hyperkaliämie, Verschlechterung der Nierenfunktion) bleiben relevant, insbesondere bei Patienten mit Komorbiditäten und Polypharmazie.
